Auf Entdeckungsreise in Stockholm

Ja, da waren wir nun also endlich in Stockholm angekommen. Und das sogar ganz kostenlos, juhu!

Es war nachts und wir studierten die Karte am Eingang des Campingplatzes. - Und hatten nach einem ersten Rundgang beide ein riesiges Fragezeichen im Gesicht. Wo war hier bitte der Zeltplatz - die tent area?

Die Karte war total uneindeutig und ich war auch immernoch nicht so überzeugt davon, dass man auf Campingplätzen einfach so nachts reinschneien durfte. Obwohl wir das auf dieser Reise bisher immer so gemacht hatten (unfreiwillig). Wir gingen den Weg von der Karte, aber konnten den Zeltplatz nicht finden. Wir suchten den ganzen Campingplatz ab und fühlten uns langsam echt veräppelt. Sogar durchs Unterholz waren wir gekrochen, um endlich diese dämliche tent area zu finden. Wir waren auch am anderen Ende des Campingplatzes an den Zaun gestoßen. Hier war das Gebiert offensichtlich zu Ende. Aber wo die tent area sein sollte, hatten wir immernoch nicht verstanden. Allein dieses Wort nervte mich, tent area. Das war eine riesengroße Wiese auf der Karte und eigentlich musste man nur geradeaus gehen. Aber wenn man geradeaus ging, kam nur Wald und zur linken die Felsen, die in Schweden häufiger einfach das Landschaftsbild, auch weit ab von Wasser, bilden. Mein Freund kletterte auf diese Felsen, vielleicht war die tent area ja da oben. Aber auf Fels??? Mit einem Zelt? Auf den Felsen wuchsen Bäume und wenn es irgendeinen Untergrund gab, der gänzlich nicht zum Zelten geeignet war, dann war es dieser hier! Das konnte doch nicht deren Ernst sein. Natürlich war oben drauf auch kein Plateau und ich würde mein Zelt ganz bestimmt nicht am Hang auf einem Felsen im Wald aufbauen. Ich war entnervt und sauer. Dafür auch noch Geld zu bezahlen, darauf hatte ich überhaupt keinen Bock.

Am Ende bauten wir unser Zelt am Wegesrand am Fuß des Felsens auf. Tent area. Die konnten mich mal.

 

Aber ich hatte ja schonmal erwähnt, dass wir immer entschädigt wurden, wenn irgendwas so richtig mistig lief. Diesmal war es das Frühstück am nächsten Morgen. In der Nacht hatte ich zu meinem Freund noch frustriert gesagt, dass die Leute hier bestimmt auch noch richtig unfreundlich sind, das würde ja passen. Aber ganz im Gegenteil war die Frau, die uns am nächsten Morgen durch die Plexiglasscheibe des Rezeptionshäuschens anstrahlte super lieb und freundlich. Das Frühstück war zwar (leider) nicht im Übernachtungspreis enthalten, aber trotzdem sehr günstig. Wir zahlten für einen heißen Kakao, ein Croissant und Müsli mit Joghurt bzw. Brot mit Käse nichtmal sechs Euro pro Person. Croissants zum Frühstück! Wie lange hatte ich das nicht gegessen? Und heißen Kakao! Es mag jetzt im Nachhinein vielleicht nicht so klingen, aber für uns war es ein Traum und ein richtig guter Start in den nächsten Tag. Wegen des Frühstücks und des lieben Personals verzieh ich ihnen die tent area ein klein wenig. An unserem Frühstücksplatz draußen unter einem Dach gab es sogar eine Möglichkeit, unsere Handys und die Powerbank aufzuladen. Das war auch dringend nötig. Zufrieden packten wir unsere Sachen wieder zusammen.

Heute wollten wir Stockholm erkunden und abends dann den Nachtzug in den Norden nehmen. Unser Plan war es, so "schnell wie möglich" nach Nordschweden zu kommen, weil ich mich innerlich die ganze Zeit so gedrängt fühlte. Und ich hatte das Gefühl, dass ich es ohne meinen Freund nicht machen würde.

Wir verließen den Campingplatz, fuhren wieder zum Stockholmer Hauptbahnhof und sperrten unsere Rucksäcke für stolze 16€ in die Schließfächer dort ein. Später durften wir sogar noch nachzahlen. Was für eine Freude.

Ich zeigte meinem Freund als erstes die Altstadt Gamla stan mit dem königlichen Palast, dem Zusammenfluss von Mälarsee und Ostsee und wir aßen vor dem Reichstagsgebäude. Wir gingen durch die Gässchen der Altstadt, besuchten Souvenirläden und liefen dann nach Södermalm. Ich wollte ihm einen ganz besonderen Platz zeigen. Wir kletterten auf die Klippen Södermalms und hatten einen fantastischen Ausblick. Wir liefen den Monteliusvägen entlang, einen Spazierweg an den Klippen von wo aus man auf die ganze Stadt gucken konnte. Wunderschön. Aber ich wollte zu den geheimen Klippen. Einem Ort, der frei von Touristen war. Einem geheimen Refugium der Locals.

Hier zu picknicken oder den Sternenhimmel über Stockholm anzuschauen wäre traumhaft, aber dafür hatten wir keine Zeit. Wir hatten nur 4 Stunden bis wir unsere Rucksäcke wieder abholen mussten und dann ging eine Stunde später auch schon wieder unser Zug.

Ich wollte nochmal kurz meine Gastkinder sehen und so machten wir uns auf den Weg dorthin. Es war nicht so besonders weit von dort, wo wir waren. Ich hatte mich nicht angekündigt und wollte auch keine Umstände machen. Deshalb schaute ich erstmal von der Straße aus durchs Fenster ins Wohnzimmer, sah aber niemanden. Ich hatte in der Nacht zuvor geträumt, dass meine Gastfamilie gestorben war und hatte deswegen immernoch ein ungutes Gefühl. Ich träume oft vom Tod. Es war noch eine halbe Stunde bis meine Gastkinder normalerweise ins Bett gingen und manchmal spielten sie im Sommer dann noch draußen. Ich öffnete das Eingangstor, aber im Hinterhof waren sie nicht und auch im Haus war niemand zu sehen. Ich wollte nicht klingeln und aufdringlich sein, deswegen gingen wir wieder.

Ich hatte meinem Freund von einem ultra gemütlichen Imbiss vorgeschwärmt, der auf dem Weg zur alten Kita lag und bei dem ich schonmal extrem leckere Pommes für nur 2,90€ gegessen hatte. By the way das zweitgünstigste Gericht, das ich je in Schweden gesehen habe. Bisher preislich nur geschlagen von den 1,50€ Hotdogs im Pressbyrån. Aber welche Qualität hinter solchen Hotdogs steckt, kann sich wohl jeder selbst denken... Da läuft's mir schon wieder kalt den Rücken runter.

Aber diese Pommes waren ein Träumchen. Letztes Mal hatte ich so eine ominöse grüne Soße dazu serviert bekommen, die schmeckte, als käme sie direkt aus dem Paradies. Ketchup und Mayo waren damit Schnee aus der Antike.

Ich wollte diese Soße wieder.

Aus 2,90€ Pommes wurden zwei Burger mit Pommes (ohne grüne Soße 😭), 2 Cider und eine Lachsspinatquiche. Upsi!

Aber halleluja!

Das Essen war fantastisch und ich kann mit Selbstbewusstsein behaupten, dass das der beste Burger war, den ich jemals in meinem Leben gegessen hatte. Eigentlich ist Imbiss auch das falsche Wort für dieses kleine Paradies auf Erden, das wir dort vorgefunden hatten.

Ich finde, Bistro passt eher, aber es war kein Bistro, es war draußen. Also Streetfood? Biergarten? Treffend sind diese Bezeichnungen alle nicht.

Wir saßen dort im Regen unter einem Schirm und das Leben war einfach schön.

 

Die Zeit verstrich und wir überzogen unsere 4 Stunden Schließfachzeit. Egal, dann zahlten wir halt nach. Es war gerade einfach ein besonderer Moment, den wir genießen wollten.

 

Auf dem Rückweg verquatschten wir uns und verpassten unsere Haltestelle. Eine Haltestelle zu spät stiegen wir aus und wieder wurden wir entlohnt, obwohl wir mal wieder etwas "verbockt" hatten. Diese Haltestelle war direkt am Stockholmer Rathaus, das ich mir selbst auch noch nicht so genau angeguckt hatte und so entdeckte auch ich heute noch etwas Neues. Das Rathaus war ein sehr hohes Gebäude aus dunkelrotem Backstein und hatte einen riesigen Innenhof. Im Innenhof stand ein Kastanienbaum und bogenförmige Säulen bildeten einen Durchgang direkt ans Wasser. Durch die Bögen sah man zwei Flaggen, davon eine Europaflagge, wehen. Eine tolle Kulisse. Wir machten ein paar sehr schöne Fotos und setzten anschließend unseren Weg zurück zum Hauptbahnhof fort.

Jetzt brachte uns der Nachtzug tatsächlich nach Nordschweden. Ich konnte es noch nicht wirklich glauben und kann es auch jetzt im Nachhinein noch nicht wirklich realisieren. Aber ich war aufgeregt, gespannt und freute mich auf das Abenteuer, das vor uns lag.