Das Schloss Drottningholm (schwed. Königinneninsel) liegt auf der Insel Lovön, einige Kilometer außerhalb (westlich) von Stockholm und ist der Wohnsitz der königlichen Familie von Schweden, bzw. genau genommen des Königspaares. Kronprinzessin Victoria lebt mit ihrer Familie in einem der anderen königlichen Schlösser.
Schloss Drottningholm ist von Stockholm aus in kurzer Zeit mit der Bahn zu erreichen, sodass es sich für mich sogar für einen Vormittagsausflug unter Woche, als die Kinder im Kindergarten waren, eignete. Endlich mal meine Freizeit sinnvoll füllen!
Ich hatte zwar auch am letzten Wochenende kurz darüber nachgedacht, dort hinzufahren, aber wollte es mir dann doch für unter der Woche aufsparen. Für einen Wochenendtag empfand ich den Ausflug als zeitlich nicht füllend genug.
So machte ich mir einen entspannten Sonntag und fuhr dafür am Montag direkt vom Kindergarten aus dorthin. Wieder waren U-Bahn (ich sah einige mir bekannte Museumsstationen wieder) und Bus meine Mittel der Wahl und als ich im Bus saß, konnte ich wieder eine schöne Landschaft draußen genießen. Bald sah ich zur linken Seite ein Schloss und einen See. Das musste es sein!
Ich lag richtig, bin aber eine Haltestelle zu spät ausgestiegen. Ups!
Naja, bei dem riesigen Schlossgarten kein Problem, der ging nämlich locker auch noch bis zu der Haltestelle an der ich nun stand.
Ich marschierte eifrigen Schrittes los durch den Schlossgarten in Richtung Schloss und Mälarsee. Die Bäume stehen hier langsam in der Blüte und so bot sich mir ein schöner Anblick. Auch ein paar Enten lagen am Wegrand faul in der Sonne und ließen sich auch nicht davon aufschrecken, dass ich geradewegs, aber vorsichtig, an ihnen vorbeilief. Direkt vor dem Schloss waren leider die Gärtner zugange, sodass der Bereich um das Schloss herum weiträumig abgesperrt war. Links vom Schloss, auf der Seite von der ich kam, waren noch einige kleine Nebengebäude. Ich weiß leider weder, was heute hinter deren Türen verborgen liegt, noch was es damals war. Möglicherweise Ställe oder Wohnraum für Bedienstete.
Ich sah einen Wachmann und war unglaublich froh, diesen Job nicht ausüben zu müssen. Den ganzen Tag wie blöd in 'ner komischen Uniform da rumstehen, an Ort und Stelle, mit Körperhaltung und sich nicht wirklich bewegen oder reden dürfen - NEE, DANKE.
Es schien nicht ganz so streng zu sein, wie es vermutlich in England der Fall ist, denn mich darauf hinweisen, dass ich zurückgehen und mehr Abstand halten soll, konnte er sehr wohl.
Naja, ich muss leider sagen, dass ich das Schloss nicht besonders pompös fand. Für mich sah es relativ unspektakulär aus, so wie die anderen Schlösser, die ich hier schon gesehen habe, ebenfalls. Vielleicht habe ich einfach schon zu viele Schlösser gesehen. Ich denke, dass Schloss Neuschwanstein, im Vergleich dazu, deutlich spektakulärer aussieht. Naja.
Zum See, der echt verlockend hinter den Bäumen lag, konnte ich leider nicht hin, da, wie gesagt, alles abgesperrt war.
Ich wollte aber unbedingt einen Weg finden und bin durch den Schlossgarten wieder etwas weiter nach hinten und dann Richtung See gelaufen. Es gab einen kleinen Schleichweg einen Hügel rauf, dem bin ich dann gefolgt.
Zur linken Seite hin zog sich die Absperrung den gesamten Weg entlang. Glücklicherweise endete dieser nicht plötzlich in einer Sackgasse, wie ich erwartet hatte. Ich ging immer weiter und konnte zur linken Seite immer wieder Blicke auf den See hinter den Bäumen erhaschen.
Ich wollte da hin!
Der Hügel, auf dem ich ging, war leicht bewaldet und zu meiner Rechten erhob sich plötzlich hoch oben ein großes, gelbes Holzhaus.
Die Villa Kunterbunt?
Ich kam den Hügel wieder hinunter und erblickte den See wieder zu meiner Linken. Vor mir lag eine Wiese und eine kleine Straße kreuzte meinen Weg. Der Weg links endete an einem schmiedeeisernen Tor mit der Aufschrift "Privat". Es sah schön aus hinter dem Tor. Ich war mir nicht sicher, ob dies immernoch zum Besitztum der königlichen Familie gehörte. Jedenfalls sah ich ein kleines Haus direkt am Wasser und es musste traumhaft sein, dort zu wohnen! Ich ging gegenüber in den Wald und es war total schön, dort spazieren zu gehen.
Nur die extrem dunkle Gewitterfront, die von rechts aufzog, beunruhigte mich leicht. In einem Wolkenbruch musste ich nicht unbedingt landen.
Ich kam nun immer näher an den See heran und plötzlich fand ich Zugang! Ein kleiner Steg, der ins Wasser ragte und die Aussicht auf den riesigen, glitzernden Mälarsee. Wunderschön lag er vor mir. Am Steg links von mir fand sich sogar eine Badestelle.
So ruhig, den Wald im Rücken, den See zu meinen Füßen und die Sonne im Gesicht.
Kann ein Moment perfekter sein?
Ich genoss diesen Moment in vollen Zügen und versuchte, alles in mir aufzusaugen. Kein Detail, keine Sekunde dessen wollte ich vergessen.
Irgendwann löste ich mich wieder und ging den Waldweg weiter um den See. Über den See hinwegblickend sah ich einen sattgrünen Nadelwald in der Nähe. Einfach wunderschön.
Als ich irgendwann näher kam, sah ich in einiger Entfernung eine Frau an einem Auto werkeln. Im selben Moment überlegte ich, ob ich nicht doch lieber wieder umkehren sollte, denn die heftigen, schwarzgrauen Gewitterwolken hatte ich nicht vergessen...
Ich war schon relativ weit weg von der Bushaltestelle und würde ewig zurück brauchen. Trockenen Fußes bei einem Wolkenbruch konnte ich definitiv vergessen. Verdammt. Vielleicht hätte ich doch gar nicht erst weitergehen sollen, als ich die Wolken das erste Mal sah... Das Gewitter war da schon nicht mehr weit weg gewesen.
Die Rufe der Frau rissen mich aus meinen Gedanken. Ich schaute mich um, wem sie wohl gelten könnten, aber ich sah niemanden weit und breit. Die Rufe wurden lauter und hektischer. Ich schaute mich nochmal um, aber da war immernoch keiner. Anscheinend meinte sie mich. Ich bedeutete ihr, dass ich näher kommen würde.
Als ich dann nah genug dran war, um sie überhaupt zu verstehen, sagte ich, dass ich leider kein Schwedisch verstünde.
Wie ich es bereits gewohnt war, schwenkte auch sie direkt zu Englisch um und entschuldigte sich sogar, dass sie mich auf Schwedisch angesprochen hatte. Süß.
Sie wollte mir nur sagen, dass ich gerne überall hier langgehen dürfe. Ich hätte so zögerlich ausgesehen. Ich sagte Danke und dass es total schön sei hier. Hinter uns befanden sich drei winzig kleine Hütten aus Holz, vor denen ihr Auto parkte. Sie erzählte mir, dass es wirklich unglaublich schön hier und ein Traum sei, dass sie hier ihre Hütte hatten. Die hatten sie wohl vom Vater ihres Mannes geerbt, oder so ähnlich.
Der Wald, den ich vom Steg aus gesehen hatte lag nun direkt vor mir. Ich ging drei Schritte in die Richtung und änderte meine Meinung. Das Gewitter. Das verdammte Gewitter. An diesen Ort würde ich sicherlich nicht nochmal kommen und jetzt musste ich deswegen meine Tour abbrechen. Nachdem das Schloss selbst schon nicht besonders atemberaubend und zudem großflächig abgesperrt gewesen war, wollte ich wenigstens jetzt die einmalige Natur rund herum in vollen Zügen genießen. Aber nein!
Danke!
Vielen Dank!
Für Nichts.
Ich sprach die Frau auf das Gewitter an und teilte ihr meine Bedenken mit. Sie stimmte mir zu, dass ich umkehren und so schnell es geht, zurückgehen sollte. Der Regen würde heftig werden.
Hatte sie mich nicht vor einer Minute mit ausladenden Bewegungen dazu eingeladen, es mir hier gemütlich zu machen und in aller Seelenruhe den Wald zu erkunden?
Egal. Ich hatte keine Zeit mehr.
Meine heimliche Hoffnung, dass sie anbot, mich ein Stück im Wagen mit zurückzunehmen, damit ich nicht in das Gewitter geriet, blieb unerfüllt und fragen wollte ich nicht. Ich würde es schon schaffen.
Zügig machte ich mich daran, den Weg, den ich gerade erst gekommen war, wieder zurückzugehen. Ich kam an einem Mann und einer Frau mit einem Fahrrad, einer Profi-Filmkamera und einer überdimensionalen Karte vorbei, die mir an derselben Stelle schon auf dem Hinweg begegnet waren. Sie hatten sich in der ganzen Zwischenzeit nicht mehr als zwei Meter bewegt und machten auch jetzt keinerlei Anstalten, irgendwo Unterschlupf zu suchen oder ins Trockene zu eilen.
Naja, nicht mein Problem.
Ich kam wieder am Steg vorbei, konnte aber nicht mehr als einen kurzen Blick dorthin werfen und eilte aus dem Wald raus. Da vorne war zum Glück schon wieder die Querstraße. Und Google Maps hatte mir auch diesmal wieder treue Dienste geleistet.
Die Querstraße hoch war direkt eine Bushaltestelle. Glücklicherweise hielt meine Linie dort und es war nur zwei Stationen weiter als die, an der ich ausgestiegen war. Das kam mir inzwischen vor, als sei es eine Ewigkeit her.
Mir kamen einige Autos im Schritttempo entgegen oder fuhren an mir vorbei. Die Frau aus dem Wald sah ich nicht nochmal. Zu meiner Linken stand ein wunderschönes kleines Häuschen mit einem tollen Garten. Und dort im Garten stand weiter hinten ein Reh und knusperte genüsslich die Pflanzen ab. Zeit für ein Foto musste noch sein.
Ich ging die Straße weiter und zu meiner Rechten tat sich ein kleiner, sandiger Parkplatz auf, sowie das eine oder andere Infoschild. Anscheinend begann hier wieder der Schlossgarten. Wobei Schlosspark es wohl besser trifft. Damit klärte sich auch die Frage, die mir schon länger im Kopf herumschwirrte, ob das Gelände unter meinen Füßen die ganze Zeit noch zum Grundstück der Königsfamilie gehört hatte. Die Absperrungen hatten ja schließlich auch schon geendet, als ich, noch recht zu Anfang, den Hügel hinabgestiegen war. Also hatte ich den königlichen Grund doch bald auf meinem Spaziergang verlassen.
Vor mir sah ich jetzt schon die Hauptverkehrsstraße, die einmal in Schlangenlinien über die Insel führte. Übrigens.
Das Gewitter.
Ratet mal.
Das war natürlich in eine andere Richtung weggezogen. 🙂
Hatte die Frau also doch Unrecht gehabt... Und ich dachte, sie kennt sich aus.
Instinktiv vertraut man doch mehr auf die Aussagen und Empfehlungen von Einheimischen, wenn man selbst irgendwo total neu ist.
Jetzt kehrte ich aber garantiert nicht nochmal um.
Ich hatte mal wieder Glück und genau in dem Moment, in dem ich die Bushaltestelle erreichte, kam mein Bus!
Juhu! Immerhin!
Ich schaute aus den Fenstern nochmal die schöne Insel an und während wir auf dem Weg zur Bahnstation waren, fing es leise an zu regnen...
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