Samstag
Nachdem mein erstes Wochenende etwas langweilig und trostlos verlief (hattet ihr auch den Eindruck, nachdem ihr den Beitrag gelesen habt?), wollte ich an meinem zweiten Wochenende endlich etwas unternehmen!
Das Schönste an Stockholm sind seine Schären - die unendlich vielen, winzigen Inseln vor der Küste.
Aber seht selbst:
Ich hatte inzwischen versucht, ein paar Kontakte zu knüpfen und nun wollte ich mir endlich die Schären ansehen.
Es hat sich jemand aufgetan - ein anderer Deutscher -, der die Tour auch gerne machen wollte. Daher haben wir die gleiche Tour gebucht.
Theoretisch jedenfalls. Denn bevor es losgehen konnte, gab es noch Komplikationen mit meiner Kreditkarte, sodass ich die Tour erstmal nicht buchen konnte.
Zum Glück stand ich dann doch Samstag Nachmittag an Bord und war sehr aufgeregt. Ich glaube, außer uns waren nur ungefähr vier oder fünf andere Gäste an Bord, dabei wäre Platz für mindestens 50 gewesen. Die Crew bestand gefühlt aus doppelt so viel Mitarbeitern wie Gästen. Aber naja, wenn das Unternehmen sich das leisten kann?
Es war wirklich wundervoll, als wir den "Hafen" von Stockholm verlassen haben und erst an Djurgården und Södermalm vorbeifuhren und anschließend zu beiden Seiten immer wieder kleine Inseln auftauchten. Mit ein, zwei Häuschen drauf.
Die Stockholmer Schären sind eher bewaldet, während die vor Göteborg eher nur aus Fels bestehen.
Mitten in der Natur zu sein und dieses Naturphänomen zu sehen, das mir vorher noch nirgendwo begegnet ist, war ein unglaubliches Erlebnis. Ich stand staunend und sprachlos an der Reling, ließ mir den Wind um die Ohren pusten und war wirklich glücklich, genau hier zu sein. Weit weg von dem Lockdown zuhause und den permanenten Corona-Nachrichten, die mir schon nach zwei Tagen zu den Ohren rauskamen.
Die Tour war leider viel zu schnell wieder vorbei, wir passierten die Stadt Växholm, die mitten in den Schären liegt, hielten aber nicht an.
Ich habe gar nicht wirklich bemerkt, dass wir schon wieder auf dem Rückweg waren, bis wir wieder auf beiden Seiten von großen Häusern eingefasst wurden. Die 2,5 h gingen wirklich viel zu schnell rum und wir haben auf der Tour auch nur die innersten Schären gesehen.
Ich würde so gerne nochmal im Sommer hier mit dem Paddelboot lang fahren, die Ruhe genießen, nur umgeben von der Natur sein, auf einer der kleinen Insel zelten und mir mindestens ein ganzes Wochenende Zeit nehmen!
Sonntag
Heute wollte ich wieder raus in die Natur und habe einen Ausflug zum Tyresta Nationalpark, der südlich von Stockholm liegt, gemacht. Diesmal allein, da sich die Bekanntschaft vom Vortag und ein weiterer Deutscher, den wir auf dem Boot trafen, im Endeffekt als Reinfall herausgestellt hatten, als wir am Samstagabend noch in einer der Bars in Södermalm waren.
Vorher konnte ich aber noch einen extrem schönen Sonnenuntergang von einer hoch gelegenen Aussichtsplattform genießen. Gänsehaut pur. Den muss ich euch hier unbedingt noch zeigen!
Unglaublich schön, oder?
Aber wieder zurück zum Sonntag.
Da ich auf die beiden Deutschen keine Lust mehr hatte, hab ich mich also alleine auf den Weg gemacht und war mit Bus und Bahn nach ungefähr eineinhalb Stunden da. Ich hatte, ehrlich gesagt, keine große Ahnung von dem Nationalpark, da die Informationen auf der Webseite, obwohl die auf deutsch war, mehr als spärlich waren.
Am Eingang hätte ich mir für 3-4 Euro eine Wanderkarte kaufen können, aber ich dachte mir, das Geld spar ich mir lieber.
Und investiere es in Kuchen!
Naja, was soll ich sagen? Hätte ich mal lieber machen sollen...
Da ich etwas überstürzt aufgebrochen war, war keine Zeit mehr, noch etwas zu essen und ich kam dementsprechend hungrig im Nationalpark an. Nach der ersten Kurve kam aber gleich ein kleines "Dorf" mit einem schönen Café. Es war doch relativ viel los und jede Menge Familien mit kleinen Kindern hatten wohl gerade fika. Ich habe mir jedenfalls erstmal ein Brötchen und ein Stück Schoko-Kokos-Kuchen gekauft und es draußen auf der Bank gegessen. Jetzt war ich bereit, endlich auf Wanderschaft zu gehen.
Ich beschloss, einfach mal dem Weg zu folgen und verließ mich darauf, dass der Nationalpark bestimmt sehr gut ausgeschildert war.
Nach ein paar Minuten stand ich vor dem ersten Wegweiser und einem Holzschild mit einer Karte des Nationalparkes und den Wanderrouten. "Super!", dachte ich und entschied mich für eine Route, die zwar kurz war, aber zu einem Stillgewässer mit Vogelbeobachtungssitz führen sollte.
Der Weg zum Hochsitz war sehr schön. Es war wirklich malerisch und alles war so friedlich. Auf dem Weg beobachtete ich in der Ferne ein paar Pferde auf einer Koppel in der Nähe des Cafés und war ansonsten allein mit mir und Schweden. Aber ich habe mich kein Stück einsam gefühlt, sondern war froh, dass ich da war. Ich war sehr glücklich, dass ich mich entschieden hatte, diesen Ausflug zu machen. Die Sonne strahlte vom Himmel und ich fragte mich, wie lange ich wohl hier bleiben würde, bis der Bus nachhause ging. Schließlich war ich leider erst am Nachmittag hier gewesen und fühlte mich etwas von der Zeit verfolgt.
Trotzdem versuchte ich, mich auf das Jetzt einzulassen und zu genießen, wo ich gerade war.
Am Hochsitz angekommen, begegnete ich einem jungen Paar, das sich aber schnell verzog und machte ein paar Fotos. Es sah wirklich schön aus hier! "Natur pur", dachte ich und freute mich, endlich in Schweden zu sein.
Ich machte mich langsam auf den Weg zurück zum Wegweiser, da dies nur ein kleiner Weg war, den man wieder zurückgehen musste, kein Rundweg. Ich entschied mich, einfach dem größeren Weg weiter zu folgen und ging an den Kreuzungen nach Gefühl, da ich doch keine Wanderroute ausfindig machen konnte.
Aber irgendwie blieb ich nur auf dem breiten Weg, umgeben von unzähligen Nadelbäumen und dem Kies unter meinen Füßen. Mir begegnete auch kein Mensch und ich fragte mich, wo die ganzen Familien mit ihren Kindern und Fahrrädern abgeblieben waren, die mir am Eingang noch so zahlreich begegnet sind. Ich ging so vor mich hin, aber es war doch recht eintönig auf dieser breiten Straße zu gehen und links und rechts nur Bäume zu sehen. Irgendwie waren die Nationalparks, die ich auf anderen Reisen bisher gesehen hatte, anders gewesen. Ich ging wieder nach Gefühl um eine Biegung und irgendwann endete der Weg einfach an einer Straße.
Na toll, ich war anscheinend einfach aus Versehen aus dem Park herausgelaufen. Der Anblick, der sich mir nun bot, war zwar auch interessant, aber löste nicht unbedingt ein gutes Gefühl in mir aus. Ich dachte wieder an die Uhrzeit und schaute auf weite Felder und ein einzelnes Haus in der Ferne.
"Verdammt!", dachte ich mir. Ich konnte natürlich einfach den Weg wieder zurückgehen und alles wäre gut. So kompliziert war es nicht und ich war mir sicher, dass ich den Weg zurück leicht finden würde. Aber dann wäre mein Nachmittag doch ziemlich unspektakulär gewesen und dafür war ich extra raus aus Stockholm in den Nationalpark gefahren?
Vielleicht war das ja auch der Grund, weshalb auf der Internetseite nicht viel stand über den Nationalpark? Weil es hier langweilig war und außer Bäumen nichts zu sehen gab? Ich war leicht enttäuscht, fragte mich aber auch, ob ich vielleicht einfach den falschen Weg genommen hatte. Schließlich stand ich jetzt außerhalb des Nationalparks, anders als ich geplant hatte.
Irgendwie sah es schon schön aus. Wohin diese Straße wohl führte?
Mit dem Gedanken an die Zeit, der mit jedem Meter, den ich mich vom Eingang entfernt hatte, lauter geworden war in meinem Kopf, ging ich zurück in den Wald. Dort fand ich Hufspuren von Pferden, die durch einen schmalen Pfad zwischen den Bäumen in den Wald bzw. relativ steil den Hang hinaufführten und entschied mich, den Weg auszuprobieren, in der Hoffnung, doch noch den richtigen Nationalpark zu sehen. Vielleicht war dies ja der Weg. Und tatsächlich fand ich alle paar Meter ein blaues Bändchen in den Bäumen hängen. Eine Orientierungsmarke also. Das sah ja schonmal nicht schlecht aus. So folgte ich den Hufspuren und den Bändchen immer tiefer in den Wald rein, aber außer Bäumen sah ich auch nichts. Nichtmal irgendwelche kleinen Tiere. Es war schön, keine Frage, die Luft war gut und frisch und ich mochte es, im Wald zu sein. Trotzdem war es nicht ganz das, was ich erwartet hatte.
Ich folgte dem Weg immer weiter, bis ich irgendwann wieder auf einen dieser breiten Wege gelangte. Zum Glück funktionierte mein Google maps, sonst hätte ich definitiv Panik geschoben, und zwar nicht gerade wenig. Mir waren immer noch erst ein, zwei Personen begegnet. Es war wie ausgestorben. Der Weg konnte nicht richtig sein. Die Tage vorher hatte mein mobiles Internet nicht wirklich funktioniert und so war es wirklich ein großes Glück, dass sich das Problem von alleine so plötzlich wieder gelöst hatte, wie es gekommen war. Ich sah auf meinem Handy, dass ich immernoch ziemlich am Rande des Nationalparks herumlief, konnte die genaue Grenze aber nicht festmachen. Ich war irgendwie einen Kreis gelaufen.
Irgendwann, als ich den mir über Google Maps erschlossen Weg bestritten hatte, kam ich endlich wieder aus dem Wald raus und sah zur rechten Seite in einige Entfernung wieder die roten Holzhäuschen des "Dorfes" mit dem Café. Man, war ich froh, endlich wieder aus diesem Wald raus zu sein! Ich dreht mich um und starrte gegen eine dunkle Wand aus Nadelbäumen. Gruselig irgendwie. Aber das ist nunmal Schweden.
Wieder nach vorne blickend, konnte ich schon die Straße sehen, auf der ich auf dem Hinweg den letzten Kilometer von der Bushaltestelle zum Nationalpark getrampt war. Die Strecke lief ich jetzt zu Fuß zurück. Meine Lust, irgendwelche Autos anzuhalten und anzusprechen war in diesem Moment nicht besonders groß.
Ich weiß nicht mehr, ob ich mir einen Bus herausgesucht hatte und angepeilt hatte, diesen zu nehmen oder ob ich nur nach dem Verlassen des Waldes mal nach einer Rückverbindung geschaut hatte, jedenfalls hatte ich nichtmehr allzu viel Zeit und laut Googlemaps sollte ich genau zur Abfahrtszeit an der Haltestelle eintreffen. Nach ein paar Minuten, die ich wieder auf einem schönen Weg mit Wiesen drum herum außerhalb der dunklen Nadelwälder genoß, merkte ich dann, dass ich dem Zeitplan von Googlemaps nicht entsprach und fing an zu rennen. Den Bus wollte ich auf keinen Fall verpassen!
Merkwürdigerweise bin ich beim Rennen diesmal nicht fast an Lungenversagen gestorben und erreichte so noch in guter Verfassung und rechtzeitig meinen Bus.
Auf dem Rückweg dachte ich darüber nach, was ich über diesen Ausflug jetzt denken sollte und ob ich nochmal wiederkommen und den richtigen Weg nehmen sollte.
Ich weiß es noch nicht...
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