Polarexpress

Komfort geht anders...

Unser Nachtzug sollte uns nach Boden bringen, wo wir gegen 11 Uhr Vormittags ankommen würde. Anschließend würden wir Mittags mit einem Bus weiter nach Jokkmokk fahren. Jokkmokk. Irgendwie hatte mein Freund einen Narren an dieser Stadt gefressen. Vielleicht weil es die Stadt direkt am Nordpolarkreis war? Oder weil es als "Tor nach Lappland" bezeichnet wurde? Oder weil Jokkmokk Begegnungsstätte für die vielversprechende Kultur der Sami, der letzten indigenen Bevölkerung Europas, war? 

Ich gebe es zu, ich war auch aufgeregt! Und wie! Ohne meinen Freund hätte ich es mich nicht getraut. 

Im Nachhinein kann ich sagen, dass das daran lag, dass ich total falsche Vorstellungen von Nordschweden hatte. 

Ich dachte, Nordschweden sei nur Tundra und Eis, weite, flache Flächen. Herden von hunderten von Rentieren und ein paar Sami, die wie Nomaden mit ihnen umherzogen und Mäntel mit Kapuzen aus dickem Fell trugen, an denen ein paar Eisflocken glitzerten. 

Oh, wie konnte ich nur so falsch liegen? 

 

Für meinen Freund war es die erste Fahrt im Nachtzug. Ich glaube, er war ein wenig aufgeregt und hat sich gefreut wie ein kleines Kind.

Dabei sind Nachtzüge echt eklig. Ich fand es total süß, wie er sich gefreut hat und die halbe Nacht aus dem Fenster geguckt. Aber ich hasse Nachtzüge. Klar, sie sind praktisch, keine Frage. Aber ich hasse die Enge. Die Hygiene lässt mehr als zu wünschen übrig. Ich mag noch nichtmal da sitzen, wo andere schon ihren Dreck auf den Bezug geschmiert haben. Geschweige denn drauf schlafen. Aber was soll's.

Immerhin hatten wir unser Abteil zu zweit. Was auch definitiv schon eng genug war. 

Wir hatten anfangs ein paar Probleme die bereits aufgebauten Betten wieder zur Sitzecke umzubauen. Denn es war erst 21 Uhr und wir gehen sehr viel später zu Bett. Und unter den aufgeklappten Betten kann man als normalgroßer Erwachsener nicht sitzen. 

Aber es ging dann alles und wir schauten die halbe Nacht aus dem Fenster. Ich hoffte immer noch, einen Elch zu sehen.

 

Am nächsten Morgen ließ ich mich dazu breitschlagen, uns Frühstück zu organisieren und taperte zum Restaurantwagen. Ich fand dort Frühstücksboxen und brachte für jeden von uns eine mit. Eigentlich bin ich nicht krüsch, was Essen angeht. Aber diese Fertigmahlzeiten, die man auf Reisen bekommt, finde ich immer extrem eklig. Es tut mir echt leid, aber sie sind wirklich widerlich. Ich kann diese Dinge nicht essen, ohne dass mir gedanklich schlecht wird, mich das richtig abtörnt und ich die ganze Zeit daran denken muss, was für eine ekelhafte, giftige Chemie-Scheiße ich gerade meinem Körper zuführe. Dann denke ich daran, wie sich Fett in den Arterien ablagert und das Zeug meinen Organe vergiftet. Oder unter welchen Bedingungen diese Sachen, insbesondere die tierischen produziert wurden. Vom Geschmack ganz zu schweigen...

Ich weiß, ich bin manchmal sehr extrem. Und sehr anschaulich. 🤷🏼‍♀️

Und dieser ganze Verpackungsmüll widerte mich auch an. 

Aber jetzt habe ich diesem Essen schon einen viel zu langen Text und unangemessen viel Aufmerksamkeit gewidmet. 

 

Zusammengefasst: die Zugfahrt war nicht toll, aber wir haben in einer Nacht 1000 Kilometer Strecke geschafft und sind heil am Ziel angekommen. 

In Boden hatten wir noch drei Stunden Wartezeit und liefen etwas Richtung Zentrum. Es gab einen schönen See, aber sonst auch nichts Spektakuläres. 

Endlich dann saßen wir im Bus und kamen unserem Ziel näher. Die Fahrt war auch echt lang genug gewesen. 19 Stunden Anreise. 

Da konnte man auch schon nach Amerika fliegen. 

Wir hatten noch keinen Plan. Wir wussten weder, was uns erwartete, wenn wir in Jokkmokk aus dem Bus stiegen, noch wo wir in der Nacht schlafen würden. Aber das war okay. Wir waren ja gut ausgestattet und hatten unser Zelt inklusive aller Isomatten, Schlafsäcke etc. dabei. 

Wir waren frei!

Und das war ein tolles Gefühl. Es war für uns beide die erste Reise, bei der wir noch nicht wussten, wo wir in der Nacht schlafen würden. Aber für mich war es weder so stressig, noch so aufregend, wie man sich das vorstellt.

Plötzlich rief mein Freund: "DA IST EIN ELCH!". Ich schaute schnell aus dem Fenster. Wir brauchten beide einen Moment, um das Gesehene zu verarbeiten, stellten dann aber mit ein paar Sekunden Verzögerung fest, dass es kein Elch war, den wir gerade gesehen hatten. 

Wir hatten unser erstes Rentier gesehen! In freier Wildbahn!

Was für ein schöner Moment. 

Jokkmokk, das Tor nach Lappland. 

Ich wusste nun genau, warum dieser Begriff so gut passte.  

 

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Kommentare: 1
  • #1

    . (Sonntag, 09 August 2020 19:55)

    Netter Reisebericht, auch angenehm zu lesen. Aber wo ist das Bild von der Frühstücksbox?