Ein neues Abenteuer beginnt ~ Startschwierigkeiten

Hier beginnt unser nächstes Abenteuer und nach einer langen Zeit der Abwesenheit, einer für mich gefühlten Ewigkeit, schaffe ich es endlich, mich wiederzumelden und alle Stationen dieses Abenteuers festzuhalten.
Dass ich meine Gastfamilie verlassen habe, fühlt sich inzwischen an, als wäre es eine Ewigkeit her. Dabei sind es noch nichtmal vier Wochen. Aber es ist so viel passiert. Ich habe so viel erlebt in der Zeit und ich weiß jetzt schon, dass es eine einmalige, wunderschöne Zeit war, die ich hoffentlich niemals vergessen werde.


Wir kamen also nachts in Växjö an, bauten unser Zelt auf (unser Probeaufbauen hatte ergeben, dass wir 12,5 Minuten brauchten, aber jedes Mal danach dauerte es eine gefühlte Ewigkeit) und genossen noch den Anblick des schimmernden Sees im Mondlicht. Es sah wirklich magisch aus. Jetzt wurde es Wirklichkeit.
Am nächsten Morgen frühstückten wir grüne Erbsen aus der Dose und Bohnen mit Tomatensoße. Deliziös.
Ohne Kühlmöglichkeit und Kocher fiel unser Proviant etwas extravagant aus. Aber ich will nicht meckern. Ich wollte Abenteuer, ich bekam Abenteuer.
Wir bauten das Zelt wieder ab und wollten versuchen, in Richtung Norden zu kommen. Ein konkretes Ziel hatten wir nicht. Wir wollten uns treiben lassen und sehen, wo wir landeten. Grobes Ziel irgendwann sollte Abisko im nördlichsten Norden Schwedens sein. Aber ob oder wann wir das erreichten? Niemand wusste es. Der Gedanke daran kam mir zu groß vor. Zu stressig. Irgendwie erschlagend. Es waren fast 1500 km bis dahin. Lappland. Ich konnte es mir nicht wirklich vorstellen.
In nördlicher Richtung lag Jönköping, wo wir meinen Freund vor einer halben Woche abgeholt hatten und von dort aus ging eine Autobahn in Richtung Stockholm. Obwohl Stockholm nicht gerade zentral gelegen ist, ist es doch der Dreh- und Angelpunkt sämtlichen Verkehrs. In diese Richtung zu steuern schien uns keine schlechte Idee.


Habe ich schon erwähnt, dass wir trampen wollten? Beziehungsweise dass ich trampen wollte? Ich hatte mir mal wieder etwas in den Kopf gesetzt. Meine Eltern erklärten mich für verrückt, als ich das ihnen gegenüber beiläufig erwähnte und verfielen in blanke Panik. Einzig der Gedanke daran, dass mein Freund mitkommen würde, beruhigte sie minimal und sie leisteten langfristig keine weitere Gegenwehr, nachdem ich deutlich gemacht hatte, dass ich mich sowieso nicht von meinem Plan abbringen ließ. Ohje.. Auf was hatte ich mich da wieder eingelassen?
Ich kann auch nichts dafür, dass mir immer so wilde Ideen kommen. Wirklich nicht. Ich fände es auch besser, wenn ich ruhiger und häuslicher wäre. Konventioneller reisen würde. Oder zuhause bliebe. Dabei fühle ich persönlich mich nicht wirklich extravagant, wenn ich mir angucke, wie andere Leute da draußen reisen. Meinen Eltern wäre es am liebsten, wenn ich immer nur artig Zug fahren würde und in Hostels in sicheren Gegenden schlafen würde, nicht alleine reiste, nur in sicheren Ländern ohne großes Risiko und ohne wilde Tiere. Und ganz ehrlich, ich kann das verstehen! Wer kann das nicht? Ich kann es wirklich verstehen. Und wirklich gefährliche Sachen habe ich meiner Meinung nach auch noch nicht gemacht. Ich bin ja nicht komplett dumm, leichtsinnig und lebensmüde. Ich reiße mich keinesfalls darum, bei diesen "Eskapaden" zu sterben oder irgendwie in Gefahr zu geraten. Aber mit dem Zug von A nach B fahren und nur im Hotel sitzen ist nicht das, was ich will. Ich könnte das machen, aber es macht mich unglücklich. Wenn das Abenteuer ruft und mein einziger, innerer, tiefer Wunsch das ist, dann muss ich dem folgen. Auch wenn ich dabei manchmal Risiken eingehe.


Auch mein Freund war nicht total aus dem Häuschen von meinem Plan. Aber er nahm es hin. Und so machten wir uns Freitag Mittag ein wenig aufgeregt, aber auch frohen Mutes in praller Sonne auf den Weg zur Autobahnauffahrt. Unser erster Tag! Hier trugen wir das erste Mal so richtig unsere Rucksäcke fertiggepackt mit allem Drum und Dran auf dem Rücken. Uuuff. Wir hatten es gestern nicht mehr geschafft, mit unseren fertiggepackten Rucksäcken Probe zu laufen, weil wir nachmittags nochmal am Badesee waren. Und wie das dann so immer ist (jedenfalls bei uns), dauerte das ganze Packen viel, viel länger als geplant. Bis dann an jedes Kleinteil gedacht war, alles in Tüten verstaut, ein Platz für Zelt, 2 Isomatten und einen Schlafsack an den Rucksäcken gefunden und diese befestigt waren, verging eine Ewigkeit. Außerdem wäre es gut, wenn wir noch was äßen und nochmal duschen konnte ja auch nicht schaden... Für einen Probespaziergang blieb dann keine Zeit mehr. Wir merkten also erst jetzt, was wir da fabriziert hatten: Wir konnten unsere riesigen Rucksäcke kaum tragen! (Ich habe sie zu dem Zeitpunkt nicht gewogen, weil uns vor der Reise keine Waage zur Verfügung stand. Aber in dem Wissen um das spätere Gewicht schätze ich die Rucksäcke jeweils auf mindestens 20 kg) Eigentlich war der Weg zur Autobahnauffahrt nicht so weit. Aber mit diesem Gepäck und auch noch in der prallen Mittagshitze... Wir hatten so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte!
Passt zu uns... Ein bisschen verdrießlich war es schon und ich ärgerte mich über mich selbst. Einfach, weil ich mir dachte, dass es mal wieder typisch für mich ist. Aber wir wollten uns die Reise auch nicht selbst verderben bevor wir überhaupt angefangen hatten. Während des Frühstücks hatte ich eine Pappe bemalt, den Karton eines Paketes, das ich während meiner Aupairzeit nach Schweden geschickt bekam. Möglichst deutlich schrieb ich mehrere Ziele auf: Jönköping, Norrköping, Stockholm. Mit einem neuen Edding, den mein Freund extra noch in Deutschland gekauft hatte. Wenn ich nicht gut vorbereitet war! 

Dann konnte doch nichts mehr schief gehen, oder?


Machen wir es kurz: wir warteten und warteten und warteten (warum hat meine Mutter prophezeit, dass ich exakt diese Worte schreiben werde, wenn ich über unsere Backpackingreise berichte?). Kein Auto interessierte sich auch nur ansatzweise für uns. Irgendwann aßen wir etwas aus unseren Vorräten. Eingelegte Champignons und Würstchen aus dem Glas. Ganz ehrlich: es schmeckte widerlich. Aber es machte satt. Und den Rucksack leichter.
Irgendwann ging ich gucken, weil einige Autofahrer immer wieder komische Handzeichen machten. Was ich sah, war nicht gut für uns. Hinter der Kurve teilte sich die Straße. Links ging es ins Dorf, rechts teilte sich die Spur nochmal auf drei oder mehr verschiedene Autobahnen auf. Aber näher ran konnten wir nicht. Wir standen bereits an der letzten Möglichkeit, an der ein Auto problemlos anhalten konnte. Etwas entmutigt ging ich zurück. Ich änderte mein Schild: 30/E4 Richtung Norden. Irgendwer musste uns doch mitnehmen! Und nach 2,5 Stunden hielt tatsächlich jemand an! Ein Paketlieferwagen! Am Steuer ein junger Mann. Er fuhr allerdings nur ins Zentrum von Växjö. Das war eigentlich nicht das, was wir wollten. Aber wir hatten selbst schon mit dem Gedanken gespielt, einfach mit dem Fernbus oder Zug zu fahren. Ich weiß, wer trampt, muss geduldig sein. Und es ist normal, dass man stundenlang wartet, wenn man sich nicht gerade in einem Tramperparadies aufhält. Aber ganz ehrlich: wir hatten beide keinen Bock mehr. Es war extrem heiß, wir hatten zwei Stunden in der prallen Sonne gestanden, kein Schatten in Sicht, wir waren erschöpft. Und wir hatten uns noch keinen Zentimeter fortbewegt. Wir hatten jetzt diese Chance oder würden weiterhin auf unbestimmte Zeit hier rumstehen. Und selbst wenn wir den Zug nehmen wollten, mussten wir ja irgendwie zum Bahnhof kommen. Vielleicht würde ein "Tapetenwechsel" uns neue Energie geben.

See Helgasjön in Växjö
See Helgasjön in Växjö