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Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? - Mein fünftes Wochenende 9. & 10. Mai 2020

Diesen Beitrag möchte ich versuchen, etwas kürzer zu halten. 

Am Freitag wollte ich mich mit A. in der Mall of Scandinavia, einer der größten Einkaufshallen Skandinaviens, treffen. 

Meine Gasteltern gaben mir früher frei, aber ich vergaß auf dem Weg mein Portemonnaie und musste umdrehen. Bis ich letztendlich da war, war meine Zeitersparnis leider futsch. Und A. hatte auch schon festgestellt, dass die Mall zwar geöffnet war, aber leider die meisten Geschäfte verkürzte Öffnungszeiten hatten. Zumindest ich hätte mir das eigentlich denken können. 

Wir aßen noch in der Mall und mussten sehr lange auf unsere Rechnung warten. Das lag daran, dass A. meinte, in Schweden gehöre es sich nicht, die Kellner an den Tisch zu winken. Das sei respektlos und man warte einfach, bis jemand an den Tisch komme.

Nunja, es war nicht viel los im Restaurant und der Kellner hatte auch schon mehrfach Blickkontakt mit uns gehabt. Trotzdem rührte sich keiner. Erst als wir Anstalten machten, ohne zu bezahlen zu gehen (nach über 1 Stunde Wartezeit - ich hätte übrigens in der Zwischenzeit schon lange jemanden rangewunken, zum Teufel mit der Etiquette, aber A. sagte Nein), aber dann doch artig am Empfang warteten, kam endlich jemand. Ich bin mir nicht sicher, ob A. nicht vielleicht tatsächlich ohne zu zahlen gegangen wäre... So ein Verhalten löst bei mir Beklemmungen aus. 

Bisher -und auch jetzt im Nachhinein- habe ich übrigens nichts über die besagte Regel gelesen und auch mein schwedischer Gastvater hörte zum ersten Mal davon... 

 

Wir sind dann mit dem Auto zu ihr nachhause, in einen Stockholmer Vorort, ziemlich in the woods, gefahren. 

Ich habe bei ihr übernachtet und wir schauten uns noch eine Comedysendung an. Aufgrund der ewigen Wartezeiten im Restaurant war es schon ziemlich spät, als wir bei ihr ankamen und so schliefen wir beide bald ein. 

Am nächsten Tag wollten wir zu IKEA, ein bisschen bummeln. Direkt daneben gelegen befand sich ein relativ großes Outlet-Center mit unzähligen Läden. Da wir am Vortag in der Mall of Scandinavia keine Besorgungen mehr erledigen konnten, schlenderten wir hier erstmal durch die Läden und fanden beide ein paar Teile. Später genehmigten wir uns noch einen sündhaft teuren Ben&Jerry's Milchshake. Komisch, beim letzten Mal hatte A. noch gesagt, sie äße keinen Zucker und hat sich im Espresso House nichtmal einen Kaffee geholt...

Durch den IKEA sind wir noch eine fixe Runde gegangen. Das  IKEA-Restaurant, in dem A. eigentlich Mittag essen wollte, hatte aufgrund von Corona geschlossen. 

Wir sammelten auf dem Weg ihre Schwester und einen Freund ein und machten einen Schlenker in den Süßigkeitenladen, vor dem die beiden warteten. Erinnert mich an die eine Szene in Pippi Langstrumpf. 

Und meinte A. nicht beim letzten Mal noch, sie äße keinen Zucker? 

 

Am nächsten Tag wollte ich mit dem Rad ein bisschen auf der Insel umherfahren. Ich hatte die Tage zuvor nochmal ausgiebig Recherche betrieben, in meinem Reiseführer gestöbert (Danke, Papa) und gelesen, dass es hier auf meiner Insel sogar einen kleinen Strand geben soll. In der Ecke war ich bisher noch nicht gewesen. Der Weg war leicht und ich hatte keine Probleme, mein Ziel zu finden, auch wenn der Weg an der Hauptstraße entlang nicht so toll war und ich anfangs auch etwas Probleme mit dem Fahrrad hatte. Es war einfach viel zu klein für mich, außerdem eher im Stil eines Renn- / Sportrades mit tiefergelegtem Lenker und der Sattel war ohne Werkzeug nicht verstellbar. Ich machte das Beste draus. 

Ich kam ans Wasser, fand die Ausschilderung "Strand" und fuhr an der Promenade lang. Es war ein sonniger, warmer Sonntag und unzählige Leute waren dort unterwegs. Zur Linken befand sich ein Park, inklusive Trimm-dich-Station. Den Strand hatte ich bis jetzt noch nicht gefunden, zur Rechten war das Ufer aber nicht hoch und Bäume hingen über dem Wasser. Man wäre hier schon ins Wasser gekommen, wenn man wollte. Etwas weiter fand ich dann tatsächlich eine Art Strand. War aber vielleicht nur 5x3 qm groß mit Felsen daneben und direkt an der Promenade gelegen. Ich verstand unter gemütlich etwas anderes- aber hey, eine Badestelle mitten in der Stadt in einem natürlichen Gewässer? Könnte schlimmer sein! 

 

Etwas weiter fand sich eine kleine Anlegestelle, mit ein paar Booten. Davor an Land war vor einer Brücke eine Ecke mit einigen Food-Trucks. Imbisswagen. Imbisswagen klingt aber irgendwie eher versifft, nach Currywurst und Pommes, Ketchup- und Fettflecken und durch das schlechte Essen ausgelösten Fettstoffwechselstörungen.

Meine Assoziationen wieder... 

Also, bleiben wir lieber bei Food-Trucks, denn das oben gezeichnete Bild passt nun so gar nicht in die Idylle, die ich hier vorfand. Vergessen wir das lieber schnell wieder. Uähh. 

Ich versuche, ein neues Bild zu zeichnen. Zur Landseite erhob sich im Hintergrund ein Hügel mit einigen bunten, kleinen Holzhüttchen drauf. Alle hatten wunderschöne Gärten. Unten im Hintergrund ein Sitzbereich, eingefasst von Holzpfählen mit bunten Lampionketten. Dann ein Weg, auf dem viele Menschen entlangtobten. Mit Fahrrädern, Kinderwagen, als Jogger und so weiter. Und dann die Food-Trucks. Im Halbkreis aufgebaut und ebenfalls eine Sitzecke in der Mitte. Glückliche Gäste, die ihre frischen Snacks verzehren mit Blick auf das schöne Wasser. Auf diese ganze Szenerie strahlt die Sonne herab. Okay, und ein paar Wolken. Natürlich wurde es genau jetzt, als ich hier ankam, etwas frisch. Vor dem Sitzbereich an den Food-Trucks wieder ein Weg, der unter der Brücke parallel zum Wasser lang führt. Und dann die Sicht aufs Wasser und die Boote. Unter der Brücke hindurchgeschaut, sah man auf der anderen Seite schon wieder ruhige, saftig grüne Natur. Am Ufer lagen ein paar Holzstämme. Hier wollte ich bleiben. Genau hier. Ich stöberte weiter in meinem Reiseführer, versuchte, mir diese Szenerie wieder ganz genau einzuprägen und genoss den Moment. 

Ich war immer noch auf Södermalm und es war so schön hier. 

Das ganze Wochenende war ich entspannt und ohne Stress angegangen. Ich musste nirgendwo anders hin, denn vor der Haustür war es so schön. 😊

Natürlich waren für meinen Geschmack wieder viel zu viele Leute unterwegs und ich hätte lieber meine Ruhe gehabt. Aber das finden natürlich alle schön. Und gerade die Schweden lechzen nach einem halben Jahr Dunkelheit nach jedem Fetzen Licht und Sonne. 

Wer kann es ihnen verübeln?

 

 

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