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Mariefred - Schweden wie im Bilderbuch und das erste Mal Schwedisch sprechen in der Öffentlichkeit - Mein viertes Wochenende 2. & 3. Mai 2020

Ich habe ja kürzlich meine Schweden-Bucket-List hochgeladen. Die meisten meiner Wünsche brauchen aber mehr Zeit als ein freies Wochenende hergibt. Deshalb habe ich mir Gedanken gemacht, was ich an den Wochenenden denn so für Ausflüge machen könnte. Dabei bin ich auf das Dörfchen Mariefred gestoßen, das ca. 50 Kilometer westlich von Stockholm liegt. Hier sollte es malerisch schön sein, direkt am Mälarensee gelegen - der übrigens der drittgrößte See in ganz Schweden ist -, ruhig und mit dem Schloss Gripsholm als i-Tüpfelchen. 

Nachdem ich am Samstagmorgen noch nicht so recht wusste, was ich machen sollte, habe ich mich dann kurzfristig dazu entschlossen, nach Mariefred zu fahren. 

Was soll ich sagen? Ich wurde wirklich nicht enttäuscht!

Es gab zwar ein kleines Durcheinander am Stockholmer Hauptbahnhof, da dieser sehr, sehr groß ist (gefühlt jedenfalls), (aber auch super sauber und modern), denn ich habe mich nur so semi-gut zurecht gefunden und war davon ausgegangen, ich würde mit einem Fernbus fahren. Also habe ich den Fernbusbahnhof gesucht und als ich diesen dann endlich am komplett anderen Ende des Hauptbahnhofes gefunden hatte, habe ich etwas dumm aus der Wäsche geguckt, als da alles wie ausgestorben vor mir lag und mein Bus auch definitiv nicht an der Tafel stand. Ich habe dann nochmal meine Buchung überprüft und festgestellt, dass es sich doch um einen Zug handelt, also den kompletten Weg wieder zurück und erstmal dieses dämliche Gleis finden. Treppe runter, Treppe runter, Treppe runter, Treppe rauf... 

Ist dann auch langsam knapp geworden und ich hab vor meinem inneren Auge schon gesehen, wie der Ausflug ins Wasser fällt - trotz 30 Minuten Puffer - weil ich den Zug verpasst habe.

Aber zum Glück hat dann doch noch alles geklappt und ich saß in einem hochmodernen, ziemlich leeren Zug und habe mich gefragt, warum Deutschland so etwas nicht hinkriegt. 

Nach ca. einer Stunde und noch einer kurzen Busfahrt stieg ich dann endlich in Mariefred aus und fühlte mich, als wäre ich direkt in einem Astrid-Lindgren-Buch gelandet. Überall bunt angestrichene Holzhäuschen in kleinen, süßen Sträßchen. Genauso hatte ich mir immer die Krachmacherstraße von Lotta oder den Heimatort von Pippi, Tommy und Annika vorgestellt und ich wäre kein bisschen überrascht gewesen, wenn einer von ihnen plötzlich aus der Tür spaziert wäre. 

Es war, als wäre ich direkt in die Heimat meiner Kindheitshelden geplatzt. Sogar ein Haus, das der Villa Kunterbunt überraschend ähnlich sah, fand ich hier. Was für ein magischer Ort! Ging man die Straße hinunter, so landete man direkt am See und sah auch schon das Schloss. Das Schloss Gripsholm befindet sich ebenfalls im Besitz der königlichen Familie und König Carl Gustaf und Königin Silvia von Schweden (die übrigens Deutsche ist 🇩🇪) haben dort 2001 ihre Silberhochzeit gefeiert (das hatte ich manchen Leuten falsch erzählt, sorry an dieser Stelle). Insgesamt besitzt die königliche Familie übrigens 9 Schlösser in ganz Schweden. Davon habe ich 3 bereits jetzt gesehen (Schloss Gripsholm, den königlichen Palast in Gamla Stan und das Schloss Drottningholm, das Wohnsitz des Königspaares ist). 

Es ist wirklich wunderschön gelegen direkt am See. Der Mälarensee zieht sich bis ins Innere von Stockholm. Normalerweise ist das Schloss auch für Besucher geöffnet, aber momentan ist es vorübergehend geschlossen. Hinten am anderen Ufer des Sees waren wieder viele Nadelwälder zu sehen und die Aussicht auf die Natur war wirklich schön. Es war auch total wenig los in Mariefred. Klar, allgemein ist es ein sehr kleines Örtchen, aber das Schloss Gripsholm ist tatsächlich nach den beiden anderen oben genannten Schlössern das drittmeist besuchte Schloss in Schweden. Und wer kann das nicht nachvollziehen bei so einem magischen Ort? 

 

In der Nähe des Schlosses gab es einen Pavillon mit einem kleinen Café, das supersüß aussah und ich gerne ausprobiert hätte. Leider habe ich mich später falsch entschieden, aber dazu an einer anderen Stelle mehr.  

Nachdem ich genug Zeit am Schloss mit auf den See gucken verbracht und einige gute Fotos gemacht hatte, schlenderte ich zurück und ging weiter am See entlang und eine Runde durch den Ort. Es war alles so ursprünglich hier. 

Ich meine, Astrid Lindgren ist 2002 gestorben und ihre Werke hat sie schon Dekaden vorher geschrieben. Doch Mariefred wirkt noch genauso, wie Astrid Lindgren ihre Welten in ihren Büchern beschrieben hat. Pippi Langstrumpf feiert dieses Jahr sogar ihr 75-jähriges Jubiläum. So lange ist es her, dass Astrid Lindgren ihre erste Geschichte über Pippi veröffentlichte. Kaum zu glauben, oder? 

Da war selbst meine Oma noch ein Kind. 

 

Im Sommer fährt nach Mariefred eine Schmalspurbahn vom nächstgelegenen Bahnhof. Das soll ein echtes Erlebnis sein. Übrigens, das Haus / Museum der Schmalspurbahn ist das, welches mich an die Villa Kunterbunt erinnerte. 

Mariefred hat neben all diesen Dinge noch durch jemand anderen Berühmtheit erlangt: Kurt Tucholsky. Er war deutscher Journalist und Schriftsteller und eine kritische Stimme zu Zeiten der Weimarer Republik. Kurt Tucholsky lebte von 1890 bis 1935 und begab sich 1929 ins Exil nach Schweden. Er fand hier in Mariefred seine letzte Ruhestätte. Heute erinnert, neben seiner Grabstätte in der Nähe des Schlosses, ein Museum im Ort an ihn. Ich habe aber weder die Grabstätte, noch das Museum besucht, zumal dieses, genauso wie das Schloss, zeitweilig geschlossen ist. 

 

Kommen wir zurück zu meinem Spaziergang durch das Örtchen. Mariefred hat außerdem einen schönen Kirchturm und ein Hotel mit einem wunderschönen Vorgarten. Als ich durch die Straßen schlenderte, machte ich eine Entdeckung. Auf der Auffahrt eines Grundstückes, in dessen Garten einige Kinder spielten, entdeckte ich Lottas Fahrrad! Beziehungsweise, eigentlich ist es Tante Bergs Fahrrad. Ihr wisst schon, Tante Berg und Lotta aus der Krachmacherstraße. Und das Fahrrad aus Na klar, Lotta kann Rad fahren. Von Astrid Lindgren, übrigens (für alle Banausen hier). 

Ich erinnere mich noch ganz genau an das Buch. Der Einband ist leuchtend grün und im Hintergrund ist ein in voller Blüte stehender Ast. Lotta im Vordergrund auf ihrem Fahrrad. Einfach traumhaft. Eine Kindheitserinnerung. 

 

 

 

 

Im Endeffekt war es vielleicht nur ein ganz normales Fahrrad, aber in dieser perfekten Szenerie musste es einfach dieses Fahrrad sein. Etwas Anderes war nicht möglich, wohnte Lotta doch gleich gegenüber. 

(In echt wohnt Tante Berg zwar nebenan, wenn ich mich recht erinnere, aber bei meiner Ankunft in Mariefred wusste ich gleich, dass dieses eine bestimmte Häuschen mit der zartrosa Farbe Lottas Haus war.)

 

Ohje, ich schwelgte in Erinnerungen. 

Zurück in die Realität riss mich ein ganz anderes Problem. Hunger! 

Eigentlich wollte ich ja in dem süßen Pavillon vorbeischauen, aber irgendwie bin ich dann doch an einem Imbissstand hängengeblieben. Ich fürchtete, dass das Café überteuert und mit touristischen Preisen ausgestattet war - aufgrund seiner Nähe zum Schloss. Und dass die Einheimischen eher (günstiger) bei diesem Imbiss essen. 

Vielleicht hätte es mich stutzig machen sollen, dass das Café trotz der wenigen Touristen gut besucht war, während am Imbiss gähnende Leere herrschte. 

Ich entschied mich für Pommes (auf die hatte ich schon seit einigen Wochen Heißhunger) mit Salat und Halloumi. Mein Gastvater hatte mir mehrfach erzählt, dass Halloumi - dieser quietschige Schuhsohlen-Käse - in Schweden recht beliebt war. 

Ich hatte gerade in den Tagen zuvor mal wieder ausgiebig schwedisch geübt und die Lektion zum Bestellen von Essen intensiv wiederholt.

Also war es nun soweit und ich nahm mir vor, zu versuchen, auf Schwedisch zu bestellen. Sollte doch gut gehen, oder? 

Einfach "Jag tar gärna" und dann das Gericht, tack. Ich nehme gerne ..., bitte. Nicht die höflichste Art der Bestellung, aber schön einfach und für einen Imbiss sollte es wohl gut genug sein. Natürlich stolperte ich bei den 3! Wörtern dann trotzdem über meine eigene Zunge. Aber die Mitarbeiterin verstand mich zum Glück trotzdem und ich war glücklich, dass mein erstes Mal Schwedisch in der Öffentlichkeit sprechen halbwegs geglückt war und erfolgversprechend aussah. 

Leider streckte die Verkäuferin doch nochmal den Kopf aus dem Fenster und fragte mich, welche Soße ich möchte. Das verstand ich auch, aber leider wusste ich dann nicht, wie ich fragen konnte, welche Soßen sie denn habe und schwenkte auf Englisch um. 

Trotzdem. Ich hatte auf Schwedisch bestellt und das war toll. Klar, eine Meisterleistung war das jetzt nicht wirklich, aber ich freute mich trotzdem. 

Leider war das Essen im Gegensatz so gar keine Freude. Weder der Salat, noch die Pommes, noch der Halloumi, noch der Ketchup schmeckten wirklich. Und wäre ich nicht so hungrig gewesen, in Ermangelung von Alternativen und ein absoluter Gegner von Lebensmittelverschwendung und davon, Essen wegzuschmeißen, hätte ich es weggeschmissen. 

In diesem Moment bedauerte ich es so sehr, nicht doch in das süße Café gegangen zu sein. 

Trotzdem. Ich wollte mir die Laune nicht verderben lassen und dachte daran, wie schön es hier war und wie froh ich war, hierher gekommen zu sein. In diesen Ort, den ich mir jahrelang in meiner Fantasie ausgemalt hatte. In dem ich so viele Abenteuer mitverfolgt hatte. In dem sich ein Teil meiner Kindheit abspielte.

 

 

Quellen: 

https://www.schwedentipps.se/soermland/mariefred-gripsholm/ 

https://www.abendblatt.de/archiv/2001/article204845609/So-feiert-ein-Koenig-Silberhochzeit.html

https://www.astridlindgren.com/de

https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Tucholsky

 

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